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1. Hundegestützte Pädagogik

a) Entstehungsgeschichte und Begriffsklärung

Bereits Ende der 60er Jahre erkannte der Psychotherapeut Boris Levison durch den beruflichen Einsatz seiner Hunde das Potential von Tieren für psychotherapeutische Zwecke. Der eigentliche Beginn der tiergestützten Pädagogik liegt jedoch in den 90er Jahren, wobei auch hier Hunde zumeist noch als Anschauungsobjekt im Biologieunterricht oder als Helfer bei Besuchen in Schulen, Altenheimen und anderen Institutionen fungierten.

Zeitnah erkannte man allerdings ihre psychologische und heilende Wirkung auf Menschen und Anfang 2000 entstanden zunehmend strukturiertere Zusammenschlüsse, wie das „Schulhundweb“1 , die sich dem Thema „Schulhund“ annahmen. Zudem wurden empirische Untersuchungen über den Einsatz von Schulhunden angestellt und so konnte man bald auch erste wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse in die entwickelten Programme einbeziehen2. Unter „hundegestützter Pädagogik“ versteht man den „systematischen Einsatz von ausgebildeten Hunden in der Schule zur Verbesserung der Lernatmosphäre und individuellen Leistungsfähigkeit sowie des Sozialverhaltens der Schüler*innen.“3

Der Hund unterstützt als Co-Pädagoge die Lehrkraft bei ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag. Der genaue Einsatz des Tieres kann hierbei deutlich variieren. Es beginnt bei der reinen Anwesenheit im Klassenraum und reicht bis zur aktiven Vermittlung von Lerninhalten durch den gezielten Einsatz des Hundes.4 5

b) Wirkeffekte

Die positiven Effekte, welche die bloße Anwesenheit eines Hundes im Klassenraum auslösen kann und die durch die gezielte Integration des Tieres in den Unterricht noch intensiviert werden können, sind mittlerweile mehrfach wissenschaftlich belegt. Aufgrund des enormen Umfanges soll sich hier nur auf die wichtigsten Ziele beschränkt werden, die durch den Einsatz eines Schulhundes erreicht werden können.

Durch den Umgang mit einem Hund im Schulalltag lernen Kinder Verantwortung zu tragen (u.a. beim Befüllen des Wassernapfes) und Rücksicht auf andere Lebewesen zu nehmen (u.a. Lautstärke im Klassenraum). Es stärkt das soziale Miteinander und kann unangemessenes Schülerverhalten reduzieren sowie die Fähigkeit zur Empathie fördern. Zudem wirkt ein Hund im Unterricht für die Kinder äußerst motivierend und führt zu einer stärkeren Identifizierung der Kinder mit der Schule. Auch die Beziehung zwischen hundeführender Lehrkraft und Kind erreicht durch das Tier als „soziale Brücke“ eine viel intensivere Qualität.

Besondere Erwähnung verdient noch ein weiterer positiver Effekt, den nur ein Tier auslösen kann. Bereits Arthur Schopenhauer erkannte: „Wir sind so gern in der Natur, weil sie kein Urteil über uns hat.“6 Genau durch diese Eigenschaft, dass ein Hund nie ein Urteil fällen wird, ihm Aussehen und Intelligenz egal sind, er stets unvoreingenommen jedes Kind so annimmt, wie es ist, kann eine ganz andere Öffnung und Hingabe entstehen und (Schul-) Ängste abgebaut werden. 7

2. Schutz- und Hygieneaspekte

Ein harmonisches und produktives Zusammenleben und Zusammensein an der Schule erfordert jedoch auch klare Regeln und verbindliche Gebote. Nur wenn der Schutz aller- der Kinder, der Erwachsenen und selbstverständlich auch des Hundes- gewährleistet ist, können alle von dem Projekt „Schulhund“ profitieren.

Der Schulhund tritt lediglich mit seinem Menschen als Team in Erscheinung. Denn nur der Hundeführer kann seinen Hund in den verschiedensten Situationen einschätzen und diesem auch die nötige Sicherheit geben sowie Überforderungssituationen erkennen.

Verlässt der Hundeführer den Klassenraum oder muss er in einer fremden Klasse unterrichten, in welche er den Hund nicht mitnehmen kann, so kommt dieser in seine verschließbare Box, welche im Klassenraum und dem Deutsch-als-Zweitsprache-Raum steht. Diese dient dem Hund als sicherer Rückzugs- und Ruheort. Der Hund darf in dieser Box nicht gestreichelt und von keiner fremden Person herausgeholt werden.

Diese Maßnahme verhindert außerdem, dass Menschen, die den entsprechenden Raum betreten, von einem Hund „überrascht“ werden. Zudem wird der Raum, in welchem sich der Hund allein befindet, von außen mit einem entsprechenden Türschild gekennzeichnet. Der Tatsache, dass einige Menschen aus den verschiedensten Gründen (Angst, Allergie, Religion) keinen direkten Kontakt mit einem Hund möchten, soll durch die folgenden Regeln Rechnung getragen werden.

Im Schulgebäude ist der Hund stets an kurzer Leine zu führen. Es muss auch in engeren Gängen jedem möglich sein, mit Abstand und ohne direkte Berührung an dem Hund vorbeizugehen.

Auch auf dem gesamten Schulgelände bewegt sich der Hund nie ohne Leine. Eine Ausnahme stellt hier lediglich die Zeit während der Schulhund-AG dar, da hier ausschließlich Kinder anwesend sind, die den Kontakt mit dem Hund wünschen und das Ableinen für bestimmte Übungen und das freie Spiel notwendig ist.

Der längerfristige Einsatz des Hundes findet nur in Klassen statt, in denen alle Kinder und Eltern ihre Zustimmung gegeben haben. Fremde Hunde dürfen das Schulgebäude nicht betreten. Aus hygienischen und allergischen Gründen darf der Hund die Schulküche, die Toiletten und den Sanitätsraum nicht betreten.

Der Hundehalter hat zudem einen für seinen Hund geltenden Hygieneplan erstellt und unterschrieben, welcher bei der Schulleitung hinterlegt ist und eingesehen werden kann. In diesem wird unter anderem auch die tierärztliche Versorgung (u.a. Impfung, Entwurmung) bestätigt.

Es wird garantiert, dass der Hund vor dem Schulbesuch bei einem Spaziergang ausreichend Möglichkeiten zum Lösen bekommt. Sollte dies doch einmal auf dem Schulgelände passieren, wird der Kot des Tieres selbstverständlich unmittelbar entfernt.

3. Rechtliche Aspekte

In Niedersachsen gibt es bislang keine ausdrückliche Regelung zum Einsatz von Schulhunden im Unterricht8 . Der Einsatz bedarf der Genehmigung der Schulleitung, da die Schulleitung laut §43 Abs. 1 NSchG die Gesamtverantwortung für die Schule trägt. Nach §111 Abs. 2 Satz 1 NSchG übt die Schulleiterin oder der Schulleiter das Hausrecht und die Aufsicht über die Schulanlage im Auftrag des Schulträgers aus9.

Für den Einsatz müssen die Anforderungen des Niedersächsischen Hundegesetzes (NHundG)10 beachtet werden, insbesondere der seit 01.01.2013 erforderliche Sachkundenachweis. Grundsätzlich ist ein gesonderter Nachweis über die Eignung als Schulhund vorzulegen, wobei hier eine entsprechende Ausbildung sinnvoll ist.11

Der Hundehalter ist verantwortlich für die Einhaltung aller rechtlichen Bestimmungen zur Haltung und zum Führen seines Hundes. Die Halterin oder der Halter des Hundes haben sicherzustellen, dass tierschutzrechtliche Vorgaben erfüllt werden. Diese Rechtsvorgaben ergeben sich im Wesentlichen aus dem Tierschutzgesetz und der TierschutzHundeverordnung12.

Hinsichtlich des Versicherungsschutzes gilt im deutschen Recht:

§ 833 BGB Haftung des Tierhalters

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.13

Abhängig vom konkreten Schaden kann es konkurrierende Zuständigkeiten geben. Schülerinnen und Schüler sind vollumfänglich gegen Personenschäden durch den GUV versichert, während Sachschäden durch die zwingend erforderliche Hundehaftpflichtversicherung abgedeckt sind, die ggf. auch Personenschäden reguliert. Der Vermerk des Einsatzes als Schulhund muss im Versicherungsschein nachgewiesen werden, um spätere Komplikationen zu vermeiden.

Eventuelle Schäden an der juristischen „Sache“ Hund werden, wie auch sonst im öffentlichen Rechtsverkehr, nach den üblichen Haftungsgrundsätzen bearbeitet. Die vollständige und regelmäßige tierärztliche Vorsorge und Behandlung sind verpflichtend für den Hundehalter. Die entstehenden Kosten sind hierbei vom Hundebesitzer zu tragen.

4. Schulhund „Bolek“

a) Allgemeines

Bislang wurde das Thema „Schulhund“ allgemeingültig abgehandelt. Im Folgenden soll nun noch der eigentliche Schulhund „Bolek“ näher vorgestellt werden.

Bolek wurde am 25.02.2014 geboren und ist ein reinrassiger Großpudel. Seine Eltern gehörten einer Tierärztin, welche sich schwerpunktmäßig mit dem Sozialverhalten von Hunden beschäftigt. Bei seinem Wurf startete sie ein Projekt, welches sie selbst „Der perfekt sozialisierte Hund“ nannte. Die Welpen wurden von ihrer Familie liebevoll aufgezogen, systematisch sozialisiert und anschließend auch nur als „Arbeitspudel“ an Menschen abgegeben, die im sozialen Bereich tätig sind und dort ihren Hund einsetzen können.

Durch diese frühe Förderung und seine rassetypischen Eigenschaften war Bolek von Anfang an ein im Haus sehr ruhiger, gelassener und schmusebedürftiger Hund, der mit seinem sanften Wesen die meisten Menschen sofort verzaubert.

Bereits mit fünf Monaten durfte Bolek seine neue Besitzerin, Susanne Tonne, mit zu ihrer damaligen Schule (Haupt- und Realschule Clausthal-Zellerfeld) begleiten. Von diesem Tag an war er durchgängig mehrmals die Woche mit dabei und die erste Schulhund-AG wurde ins Leben gerufen.

2017 absolvierte Bolek mit Frau Tonne eine halbjährige Therapiebegleithundeausbildung, welche durch eine theoretische und eine praktische Prüfung, sowie eine Hausarbeit erfolgreich abgeschlossen wurde. Im selben Jahr noch wurde beim „Schulhundweb“ (siehe Punkt 1a)) eine Selbstverpflichtung unterschrieben, welche der Sicherung von Qualitätsstandards beim Einsatz von Schulhunden dienen soll und vom Fachkreis Schulhunde und dem Arbeitskreis SchulhundTeam- Ausbildung entwickelt wurde. Durch diese Selbstverpflichtung, welche u.a. eine anerkannte Ausbildung und regelmäßige Fortbildungen garantiert, durfte fortan die Schule das Logo „Schulhund- Tiergestützte Pädagogik“ verwenden.

Seit September 2020 besucht das „Mensch-Hund-Team“ nun die Schule im Innerstetal und konnte dort direkt von Beginn an seine langjährige Erfahrung innerhalb des Klassenunterrichtes und der Schulhund-AG gewinnbringend einbringen.

b) Einsatz

In der Schulhund- AG, welche stets an einem Nachmittag für zwei Schulstunden stattfindet, können alle hundeinteressierten Kinder Kontakt zu Bolek haben, unabhängig davon, ob Frau Tonne in ihrer Klasse unterrichtet oder nicht. Die AG bietet eine großartige Möglichkeit, längerfristig und intensiv das Thema „Hund“ mit all seinen Facetten zu beleuchten und zusammen mit Bolek zu zeigen, dass ein Hund ein gleichwertiges Lebewesen mit einer eigenen Persönlichkeit und Bedürfnissen ist, das man respektieren und achten muss.

An den Vormittagen wirkt Bolek hauptsächlich positiv durch seine Anwesenheit im Klassenraum. Er darf sich stets frei im Raum bewegen und sucht gezielt die Nähe zu einzelnen Kindern, die ihn dann während des Unterrichtes streicheln können. Dabei wirkt er durch seine souveräne und entspannte Art jedoch nicht ablenkend sondern beruhigend auf die gesamte Klasse.

Durch seine Ausbildung kann Bolek aber auch gezielt im Unterricht eingesetzt werden, um diesen aufzulockern und motivierender für die Kinder zu gestalten oder um Sicherheit zu geben und Ängste zu nehmen. Durch die Vergabe von Leckerlis, welche Bolek nach erfolgreicher Bearbeitung von Aufgaben/ Beteiligung am Unterricht o.ä. gegeben werden dürfen, kann eine deutlich gesteigerte Motivation erzielt werden. Auch spielerische Elemente, wie beispielsweise das Würfeln mit einem Schaumstoffwürfel, welcher mit verschiedenen Aufgabenstellungen versehen werden kann, ziehen die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich und lassen sie Freude am Unterricht erleben.

Bolek kann jedoch auch gezielt zu einzelnen Kindern gesetzt/gelegt werden, um diesen Sicherheit, Entspannung und Selbstvertrauen zu geben. Besonders bei Kindern mit ADHS wirkt das Streicheln sowie der direkte Körperkontakt zum Tier sehr beruhigend. Doch auch beim Vorlesen oder bei Präsentationen (Referat, Gedichtvortrag) unterstützt die Nähe zu Bolek und lässt Lesehemmungen und Blockaden schwinden bzw. reduziert diese deutlich.

 

Fußnoten

  1. https://schulhundweb.de
  2. Vgl. Röger-Lakenbrink, I., Das Therapiehunde-Team, Nerdlen: Kynos 2011 S.16ff
  3. Heyer, M.; Kloke, N., Der Schulhund, Nerdlen: Kynos 2011 S.17
  4. Ebd.
  5. Vgl. Kahlisch, A., 77 Arbeitsideen für den Besuchs- und Therapiehundeeinsatz, Nerdlen: Kynos 2015
  6. Heyer; Kloke, Der Schulhund, S.19
  7. Vgl. ebd. S.19ff
  8. https://schulbegleithunde.de/niedersachsen/
  9. https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/service/rechts_und_verwaltungsvorschriften/niedersachsisches_schulgesetz/ das-niedersaechsische-schulgesetz-6520.html
  10. https://www.laves.niedersachsen.de/startseite/tiere/tierschutz/tierhaltung/das-niedersaechsische-hundegesetz-nhundg110827.html
  11. https://schulbegleithunde.de/niedersachsen/
  12. https://www.ml.niedersachsen.de/startseite/themen/tiergesundheit_tierschutz/tierschutz_allgemein/halten-vonhunden-4745.html
  13. https://www.buergerliches-gesetzbuch.info/bgb/833.html

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